Glaubt man den Webseiten der Leihmutterschaftsagenturen, sind Leihmütter allesamt Frauen, die ihre Erfüllung darin finden, anderen Menschen ein Kind zu schenken. Sie lassen uns glauben, dass der Dienst der Leihmütter aus reiner Selbstlosigkeit geleistet wird, getrieben von dem Wunsch, andere Menschen glücklich zu machen.
Wenn das stimmt – warum tragen dann reiche Frauen keine Kinder für arme Frauen aus? Gibt es unter den wohlhabenden Frauen keine, die andere Menschen durch die Vermietung ihres Körpers glücklich machen möchte?
Was bedeutet es, Leihmutter zu sein?
Wo finden die Agenturen Leihmütter?
Ihor Pechonoha ist Direktor der größten ukrainischen Agentur für die Vermietung von Frauen, BioTexCom. Diese Firma mit Sitz in der Schweiz ist eine der profitabelsten Leihmutterschaftsagenturen der Welt. Er hat eine einfache Erklärung für sein Erfolgsrezept: „Wir suchen Frauen in den ehemaligen Sowjetrepubliken, denn logischerweise müssen die Frauen aus einer ärmeren Gegend kommen als unsere Kunden.“
Seine Suche hat ihn daher in die von Krisen und Krieg zerrüttete Ukraine geführt, wo es einen endlosen Vorrat an verzweifelten jungen Frauen zu geben scheint. Je mehr die Ukraine in Armut versank, um so größer ist der Markt dort geworden. Die Ukraine kontrolliert ein Viertel des weltweiten Leihmutterschaftsmarktes.
Der Markt boomt ebenfalls in anderen Ländern, die von Armut betroffen sind. Für manche Frauen ist die Vermietung ihres Körpers die einzige Möglichkeit, einen Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen oder hohe Kreditraten abzubezahlen.
Im September 2022 hat die ALfA eine Leihmutter aus der Ukraine betreut, die nach Deutschland geflohen ist. Anna hat uns berichtet:
„Meine Kunden waren ein chinesisches Ehepaar. Als der Krieg ausbrach, wurde es schwieriger, Kontakt mit ihnen zu halten. Ich konnte sie schließlich nicht mehr erreichen. Ich war im sechsten Monat schwanger und wollte wissen, wie Geburt und Abholung des Kindes laufen sollten – mitten im Krieg. Die Kunden haben sich gar nicht gemeldet, und die Agentur hat mir gesagt, ich solle das Kind abtreiben. Die Kunden haben nichts bezahlt. Ich bin schließlich nach Deutschland geflohen und habe das Kind bekommen, es lebt jetzt bei mir.“
Was verdienen Leihmütter?
Die Bezahlung der Leihmütter ist sehr unterschiedlich. Eine ukrainische Leihmutter bekommt in etwa 10.000 – 15.000 Euro für ihre Dienste, eine englische Leihmutter mit 11.000 – 17.000 Euro nicht viel mehr. Bei amerikanischen Agenturen schwanken die Angaben zwischen 30.000 und 92.000 US-Dollar. Leihmütter, die schon erfolgreich ein Kind für andere ausgetragen haben, werden manchmal besser bezahlt als Frauen, die das zum ersten Mal tun. Angesichts der hohen Kosten verhandeln die Kunden gern.
Die Leihmütter haben in der Produktionskette die schwächste Position: Sie sind auf das Geld dringend angewiesen. Die Konkurrenz durch andere Frauen wächst in dem Maß, in dem das Land, aus dem die Leihmütter rekrutiert werden, verarmt. Frauen, die zum Gelderwerb auf die Vermietung ihres Körpers angewiesen sind, sind naturgemäß zudem oft nicht in der Lage, knallharte Verhandlungen zu führen – anders als die Agenturen, die hierfür auf geschultes Personal zurückgreifen können.
Kelly O’Connor hat durch Leihmutterschaft ein Kind produzieren lassen. Über ihre Erfahrungen berichtet sie auf der im Blog „Wie ich 50.000 $ bei der Leihmutterschaft gespart habe„:
„Obwohl es in unserer Gegend viele verfügbare Kandidatinnen gibt, haben wir uns für eine Anfängerin entschieden, mit der Begründung, dass die Vergütung deutlich geringer war (ungefähr 20.000 US-Dollar) und sie gerne loslegen wollte (sprich: offen war für Verhandlungen). Ebenso konzentrieren sich die meisten Bestelleltern auf das Alter der Leihmutter, Es ist zwar so, dass Frauen Anfang 40 noch problemlos eine Schwangerschaft aushalten können, aber unsere spätere Leihmutter wurde immer wieder auf Grund ihres Alters übergangen. Infolgedessen stellte sie sich zu einem günstigeren Preis zur Verfügung. (…) Anfangs wirkten die in den Profilen der Leihmütter aufgeführten Preise entmutigend, aber wir haben erfahren, dass viele Anfängerinnen dazu angehalten werden, die „grundlegenden“ Vergütungsbeträge für ihr Profil auszuwählen, und dann verhandelt die Agentur von dort aus. Die Leiterin der Agentur war eine große Hilfe: Sie hat uns einen Tipp gegeben, wie wir Gebühren senken können und hat uns außerdem einen Betrag genannt, von dem sie annahm, dass die Leihmutter ihn akzeptieren würde. In unserem Fall war das, was wir schließlich bezahlt haben, deutlich weniger als das, was ursprünglich verlangt wurde.“
Wie werden die Leihmütter behandelt?
Die Verträge, die Leihmütter unterzeichnen müssen, nehmen ihnen einen großen Teil ihrer Rechte. Die Bestelleltern zahlen viel Geld für ein Kind und wollen daher sichergehen, dass die Produktion nicht durch ein Fehlverhalten der Leihmutter gefährdet wird.
Die Verträge sehen vor:
- Psychologische Untersuchung
- Bestelleltern sind bei Geburt dabei
- Bettruhe nach Embryonentransfer
- Reiseverbot
- Verbot der sonst üblichen Tätigkeiten
- Verzicht auf Schadenersatzforderungen
- keine medizinische Behandlung ohne Zustimmung der IVF Klinik oder ohne Bestelleltern zu informieren
- Bedenkzeit der Bestelleltern / Einholung Zweitmeinung bei Abtreibung wegen gesundheitlicher Gefahr für Schwangere
- Zustimmung zu Kaiserschnitt / Geburtseinleitung/ Abtreibung eines Kindes bei Mehrlingsschwangerschaften muss gegeben werden
- Medizinische Versorgung trägt Krankenkasse der Mietgebärmutter
- Kürzung der Bezahlung bei Abtreibung, Fehlgeburt oder Tod des Kindes innerhalb von 7 Tagen nach der Geburt
- Bestelleltern können Abtreibung eines Kindes verlangen, sofern es „nicht mit einer adäquaten Lebensqualität“ vereinbar ist
Es ist das Recht der Agentur, eine Abtreibung zu verlangen, wenn die Bestelleltern vom Vertrag zurücktreten. Falls die Leihmutter sich weigert, einer Abtreibung zuzustimmen, bekommt sie überhaupt kein Geld, aber auch kein Sorgerecht – das behalten die Bestelleltern, die das Kind lieber abtreiben lassen wollten.
Die sogenannte Leihmutter trägt also das Risiko in nicht unerheblichem Maße mit, dass das georderte Produkt fehlerhaft sein könnte. Das wäre in etwa so, wie wenn ein Fließbandarbeiter bei VW mit seinem Gehalt dafür zahlen müsste, wenn ein fehlerhaftes Auto vom Band läuft. Sie trägt auch das gesundheitliche Risiko für sich selbst allein: Es bleibt ihr z.B. überlassen, selbst eine Lebensversicherung abzuschließen – für den Fall, dass die Schwangerschaft tödlich verläuft. Andere Risiken (Verlust der Eierstöcke, Verlust der Gebärmutter) werden von amerikanischen Agenturen mit Beträgen zwischen 2500 und 5000 $ kompensiert.
Melissa Cooke war bereits 48, als sie sich zum wiederholten Mal aus Geldnot als Leihmutter verdingte. Diesmal war der Besteller ein gehörloser, alleinstehender Mann, der mit der Einpflanzung von drei männlichen Embryonen einverstanden war, da dies höhere Chancen auf die Geburt wenigstens eines Kindes darstellt.
Alle drei Kinder wuchsen. Dem Bestellvater (C.M.) wurde dies zu viel, er verlangte eine Abtreibung, wenigstens aber eine selektive Reduktion – dabei wird eines der Kinder im Mutterleib getötet. Sowohl er selbst als auch die Anwälte der Leihmutterschaftsagentur erhöhten den Druck auf Melissa und forderten immer wieder eine Abtreibung. Melissa weigerte sich: Schließlich waren alle drei Kinder gesund und wuchsen heran.
Die Kinder wurden per Kaiserschnitt vorzeitig geholt, da bei Melissa Wehen einsetzte. Der Besteller kam erst nach ein paar Monaten im Krankenhaus vorbei, um die Kinder abzuholen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon die Zahlungen für Melissas Medikamente eingestellt, da er sich das nicht leisten konnte. Die Agentur stellte ebenfalls alle Zahlungen ein, da Melissa sich geweigert hatte, abzutreiben – obwohl in ihrem Vertrag stand, dass sie einer Abtreibung nur im Falle eines gesundheitlichen Schadens des Kindes zustimmen müsse. Und der lag bei den Drillingen nicht vor.
Die Kinder landeten in einem schrecklichen Zuhause. Der Bestellvater ließ die Babys stundenlang allein, tolerierte einen Kettenraucher im Haus und war nicht gewillt, sich angemessen um sie zu kümmern. Windeln wechselte er so unregemäßig – um Geld zu sparen – dass die Kinder mit Hautausschlägen im Krankenhaus behandelt werden mussten. Dem Gericht lag eine ausführliche Stellungnahme hierzu von seiner Schwester vor, die sich um das Wohlergehen der Kinder – ebenso wie Melissa – allergrößte Sorgen machte. In ihrer Stellungnahme wies sie darauf hin, dass die Kinder bei Besuchen einen verstörten Eindruck machten und dass ihr Bruder dafür bekannt war, nicht nur eine hochgradig gestörte Persönlichkeit zu sein, sondern auch Haustiere bis hin zum Tod zu quälen. Die Gerichte in Kalifornien lehnten jedoch Melissas Klage auf Sorgerecht ab. Seine Begründung: „Was mit den Kindern passiert, wenn C.M. sie erstmal übernommen hat, geht mich nichts an. Das geht mich nichts an. Das ist nicht Teil meines Jobs.“
Die Gesetze in Kalifornien sehen keinerlei Überprüfung der Eignung der Eltern vor. Melissa wurde klar gemacht, dass sie mit der Unterzeichnung sämtliche Rechte an den Kindern abgegeben hatte. Sie klagte erfolglos auf Sorgerecht bis zum Supreme Court.
Melissas Geschichte schlug auch international hohe Wellen. Eine deutschsprachige Zusammenfassung findet sich hier.
Welches gesundheitliche Risiko gibt es für Leihmütter?
Eine Leihmutterschwangerschaft ist riskanter als eine normale Schwangerschaft. Ein Vergleich zwischen beiden zeigt ein deutlich höheres Risiko für das Baby, zu früh geboren zu werden, aber auch Risiken auch für die Schwangere. Für sie ist eine Mietschwangerschaft immer mindestens die zweite Schwangerschaft – keine Agentur vermietet eine Frau, die noch keine Erfahrung mit Schwangerschaft hat. Sie muss unter Beweis gestellt haben, dass sie überhaupt schwanger werden und ein Kind austragen kann.
Besonders hoch ist das Risiko, wenn die Leihmutter nicht genetisch mit dem Baby verwandt ist. Der Körper der Frau muss in diesem Fall mit einer doppelten Fremd-DNA umgehen, denn sowohl die Samen- als auch die Eizelle, aus der das Baby entstanden ist, haben eine andere DNA als die Leihmutter.
Folgende Risiken sind daher im Vergleich zu anderen Schwangerschaften erhöht:
Während der Schwangerschaft: Präeklampsie (um bis zu 20 %), Diabetes (bis zu 16 %)
Gegen Ende der Schwangerschaft: Frühgeburtsrisiko (fünffach erhöht: 17 % gegenüber 3 % bei normaler Schwangerschaft); Kaiserschnittrisiko
Während der Geburt: erhöhtes Komplikationsrisiko für Eklampsie und Sepsis (um bis zu 60 %)
Spätfolgen / Risiken auf Grund der Abwehrreaktion: hoher Blutdruck mit erhöhtem Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko, Endometriose, Schilddrüsenüberfunktion, Myome, Morbus Crohn, Diabetes, Inkontinenz
Spätfolgen / Risiken im Zusammenhang mit Mehrfachschwangerschaften: Bandscheibenvorfall auf Grund der Gewichtszunahme, Darmprolaps nach der Geburt, Gebärmuttervorfall, Inkontinenzh
Brooke Browne starb im Verlauf ihrer dritten Schwangerschaft als Leihmutter. Die Zwillinge, mit denen sie diesmal schwanger war, starben kurz danach. Zuvor hatte sie drei andere Kinder als Leihmutter geboren. Brooke hinterlässt drei eigene Kinder. Die Agentur, die sie wiederholt als Leihmutter vermietete, wusste, dass diese insgesamt sechste Schwangerschaft für Brooke auf Grund der vorangegangenen Schwangerschaften und Geburten mit einem hohen Risiko verknüpft war. Für ihre Beerdigung hat die Agentur versucht, Geld auf „Go Fund Me“ einzusammeln. In einem Nachruf der Agentur heißt es: „Heute verabschieden wir uns von einer guten Freundin. Ihr Leben war mit so viel mehr als Leihmutterschaft erfüllt, aber sie kam deswegen in unser Leben. Wir, die wir die Freude hatten, sie zu kennen und mit ihr zu arbeiten, werden sie im Gedächtnis bewahren.“ Weder die toten Zwillinge noch die Tatsache, dass Brooke im Verlauf einer Leihmutterschwangerschaft starb, wurden erwähnt.
Michelle Reaves war 36, als sie während der Geburt starb. Sie hatte sich zum zweiten Mal als Leihmutter vermietet. Sie war bereits im Kreißsaal der Entbindungsklinik, als es am 15. Januar 2020 zu einer Reihe von Komplikationen kam, in deren Verlauf die zweifache Mutter starb. Das bestellte Baby überlebte. Auch hier haben Freunde eine Go Fund Me Seite eingerichtet, um Geld für Michelles Familie zu sammeln.
Im Fall von Crystal Wilhite wissen wir nur deswegen von ihrem Tod als Leihmutter, weil eine andere Leihmutter, die über den Fall informiert war, sich nicht an das Schweigegebot hielt und anonym die Öffentlichkeit über die Umstände von Crystals Tod informierte. Crystal hatte frühzeitig einsetzende Wehen, bekam eine Bluttransfusion und wurde nach Hause geschickt, obwohl sie sich nicht wohlfühlte. Dort erlitt sie eine Embolie und starb.
Die vollständigen Geschichten von Brooke, Michelle und Crystal – und die anderer Frauen – können hier nachgelesen werden.
„Leihmutterschaft kann nur funktionieren, wenn Frauen bereit sind, die Babys zu verkaufen, die sie neun Monate lang unter ihrem Herzen getragen haben. Um das zu tun, ist man entweder sehr verzweifelt oder man hat absolut gar nichts für dieses Kind übrig. Beides ist gleichermaßen entsetzlich.“
Sylvia Pantel, Geschäftsführerin der Stiftung für Familienwerte, Mitglied des Bundestags von 2013-2021 (CDU).