Leihmutterschaftsagenturen werben damit, mit ihren Diensten glückliche Familien zu produzieren.
Glückliche Familien bestehen aus glücklichen Menschen.
Wie glücklich aber kann ein Kind heranwachsen, dem von Anfang an eine entscheidende Bezugsperson vorenthalten wird – seine Mutter? Kann die Mutter, die das Kind neun Monate unter ihrem Herzen getragen hat, durch eine andere, für das Kind fremde Person ersetzt werden?
Paare, die ein Kind erwarten, bemühen sich, schon vorgeburtlich Kontakt zu ihrem Kind aufzunehmen. Schon früh kann das Kind hören und lernt die Stimmen seiner Eltern kennen und unterscheiden. Es nimmt den mütterlichen Herzschlag wahr, der es später beruhigen wird, wenn es an ihrer Brust liegt. Es kennt ihre Essensgewohnheiten, ihren Atemrhythmus, ihre Bewegungsweise. Längst wissen wir sehr viel mehr über den intensiven Austausch zwischen Mutter und Kind, die Sensibilität, mit der das Kind auf alles reagiert, was seine Mutter tut. Dem tragen die Eltern Rechnung, indem sie schon vor der Geburt liebevoll Kontakt zu ihrem Kind aufnehmen.
Olivias Geschichte
Wie ergeht es Kindern, denen dieser liebevolle Kontakt nicht gewährt wird? Die von der einzigen Person, die sie seit dem ersten Moment ihrer Existenz kennen, getrennt werden – für immer?
Olivia ist ein solches Kind.
Was hat Einfluss auf die Entwicklung des Kindes?
Die Familie
Zwei Familien sind betroffen: Die Familie der Leihmutter und die Familie, die das Kind bestellt hat.
In aller Regel hat die Leihmutter bereits eigene Kinder. Das gilt als Grundvoraussetzung, um überhaupt als Leihmutter tätig werden zu können. Ihre eigenen Kinder lernen: Ein Baby, das – so wie sie selbst – im Bauch der Mama heranwächst, kann auch gleich nach der Geburt abgegeben werden. Kinder fragen sich: Warum durfte ich bei Mama bleiben, und dieses Baby nicht? Und wenn Babys gleich nach der Geburt weggegeben werden können, kann man das auch mit älteren Kindern machen? Verunsicherung ist die Folge.
Der Partner der Leihmutter betrachtet ihre Schwangerschaft als Einkommensquelle. Ihren wachsenden Bauch, ihre körperlichen Einschränkungen nimmt er nicht hin, weil am Ende ein eigenes Kind das Licht der Welt erblickt, sondern weil am Ende ein Bündel Geldscheine winkt. Das Kind, das seine Partnerin austrägt, ist ein Fremdkörper, ein Hindernis, ein notwendiges Übel, das er eigentlich ablehnt, zu dem er aber auf keinen Fall eine Beziehung aufbaut. Die Liebe des Vaters bleibt dem ungeborenen Kind entzogen.
Die Leihmutter
Wir wissen heute sehr viel mehr über die vorgeburtliche Entwicklung. Vor allem wissen wir, dass die Psyche des ungeborenen Kindes direkt beeinflusst ist von den Wahrnehmungen und der hormonellen Lage der Mutter. Bereits mit Ende der Embryonalphase sind Babys in der Lage, zu empfinden. So ist zwischen der 20. und 24. Schwangerschaftswoche ihr Gehör vollkommen ausgeprägt, sie nehmen nicht nur die Stimmen der Eltern, sondern auch andere Umgebungsgeräusche wahr und reagieren darauf. Wie die Reaktion ausfällt, hängt besonders von der Reaktionsweise der Mutter ab. Als Botenstoffe sorgen die mütterlichen Hormone dafür, dass ihre Gefühle zum Kind weitergeleitet werden. Psychische Empfindungen werden sozusagen auf physischem Wege an das Kind weitertransportiert. Mit anderen Worten: Hat die Mutter Angst, fühlt Stress, ist in Sorge oder traurig, dann gelangt das mehr oder weniger gefiltert auch zum Baby, das daran regen Anteil nimmt.
Es ist nachvollziehbar, dass eine Mietschwangerschaft deutlich weniger positive Gefühle, dafür aber mehr Stress und Sorgen auslöst als eine normale Schwangerschaft. Die Verträge sehen eine engmaschige Kontrolle der Leihmutter vor, sie regulieren detailliert ihren Alltag, schreiben vor, dass für jede medizinische Behandlung zunächst die Zustimmung der Agentur eingeholt werden muss, verbieten Reisen und Beschäftigungen, legen fest, wo und wie das Kind zur Welt gebracht wird, erzwingen auch eine Abtreibung, falls das Kind nicht den Anfordernissen entspricht. Kurz: Der Körper der Leihmutter gehört ihr in dieser Zeit nicht mehr. Sie hat jede Autonomie verloren.
Die Geburt
Durch die Geburt wird für das Baby alles anders. Alle lebenserhaltenden Funktionen, die zuvor über die Mutter geleistet wurden, muss das Baby nun selbst übernehmen: Atmung, Verdauung, Temperaturregulation. Der Geburtsvorgang selbst ist auch für das Kind nicht leicht: So wird z.B. beim Durchtritt durch das mütterliche Becken der Brustkorb des Kindes fest zusammengedrückt. Dabei wird fast alles Fruchtwasser aus der Lunge gepresst. Sobald sich der Brustkorb nach der Geburt wieder ausdehnen kann, holt das Kind das erste Mal Luft.
Sinnesfunktionen wie Schmecken, Riechen und Hören sind schon kurz nach der Geburt sehr gut ausgebildet. So erkennt ein Neugeborenes seine Mutter meist am Geruch und an der Stimme. Auch Reflexe wie der Saug-, der Such- oder der Greifreflex sind von Geburt an vorhanden. Dank des Saug- und des Suchreflexes kann jedes gesunde Neugeborene die Brustwarze der Mutter und damit die lebenswichtige Nahrungsquelle finden.
Wenn all dies vorhanden ist, gibt es dem Neugeborenen die Sicherheit und Geborgenheit, die sein Urvertrauen erstarken lassen.
Bei einer Geburt nach Leihmutterschaft ist alles anders. Die Bestelleltern haben das Recht, im Kreißsaal anwesend zu sein. Das neugeborene Baby wird unmittelbar nach der Geburt seiner Mutter weggenommen und den Bestelleltern übergeben. Geruch, Stimme, Herzschlag – das alles ist dem Baby fremd. Zum normalen Geburtstrauma kommt der Schock hinzu, von der Mutter sofort getrennt zu werden.
Fazit
Es gibt verschiedene Wege, auf die ein Kind per Leihmutterschaft produziert wird.
- Die Leihmutter ist auch die Eimutter. Sie wird mit dem Samen des Bestellvaters „inseminiert“ und ist die leibliche Mutter des Kindes. Eine in vitro Fertilisation ist nicht notwendig.
- Die Bestellmutter liefert eine Eizelle, der Bestellvater den Samen. Eine in vitro Fertilisation erfolgt, der Embryo wird der Leihmutter implantiert.
- Die Bestelleltern greifen auf eine Samenbank zurück – vielleicht auch auf eine Eizellverkäuferin. Das so entstandene Kind ist genetisch nicht mit den Bestelleltern verwandt, eine in vitro Fertilisation ist notwendig.
So unterschiedlich, wie die Produktionswege sein können, so unterschiedlich kann auch das gesundheitliche und psychische Risiko für das Kind sein. Fest steht: Die größten gesundheitlichen Risiken birgt die in vitro Fertilisation für das Kind. Fehlbildungen, Frühgeburten, Herzfehler, Fettleibigkeit, geringere Intelligenz – das alles sind Probleme, mit denen ein auf diese Weise produziertes Kind rechnen muss.
Im Falle der Leihmutterschaft kommen weitere Probleme hinzu: die fehlende nachgeburtliche Bindung an die Mutter, die das Baby ausgetragen hat, führt zu einem geringeren Anpassungsvermögen. Nachvollziehbar: Die Trennung des Neugeborenen von seiner Mutter führt zu Angst, die sich in drastisch veränderten Herzvariabilitätsraten zeigt und in einer deutlich geringeren Fähigkeit, in längeren Phasen durchzuschlafen. Beides hat Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes. Das alles wissen wir schon lange aus der Adoptionsforschung.
Die Leihmutterschaft ist zu einem internationalen Wirtschaftszweig geworden, an dem nicht nur die Wunscheltern und die Leihmütter beteiligt sind, sondern oft auch eine Reihe von Vermittlungsagenturen und Anwälten, die bei dem Verfahren behilflich sind und die natürlich für ihre Dienste Geld verlangen.
Völlig ignoriert wird die Wahrnehmung einer Leihmutter, die ihr Kind zur Geburt am liebsten nicht sehen will, um sich später nicht daran erinnern zu können, wie ihr Kind aussah; oder das Empfinden eines Kindes, das früher oder später wissen möchte, wer seine biologischen Mutter ist, das auf der Suche nach seiner Identität ist.
Andrea Heck, Mutter und Juristin. Landesvorsitzende Elternverein NRW, Vorstand Stiftung Familienwerte und Mitgründerin von wertevollwachsen e.V.